Nur über Zeitloses schreiben….

Menschenleere Eingangshalle im Altenheim…

Bevor ich meinen Blog gestartet hab, habe ich mich natürlich intensiv vorbereitet. Zum einen hab ich einen Schriftstellerkurs an der vhs gemacht, und zum anderen habe ich ein kleines und ein größeres Online-Seminar gemacht, wie man richtig bloggt.

In einer Lektion sagt mein Lehrer, man soll am besten nur über zeitlose Themen schreiben, und nichts Tagesaktuelles aufgreifen. Er meint, solche Beiträge werden nur kurzzeitig gelesen und verschwinden dann für immer von der Bildfläche.

Ich konnte das total nachvollziehen, ein Blog behandelt ja klassischerweise nur ein Thema, und dazu kann man auf jeden Fall immer seinen Senf geben, ohne Bezug auf aktuelle Entwicklungen zu nehmen. Zum Beispiel, dass Bewegung gut für die Gesundheit, oder wie in unserem Fall, dass die Welt mehr Liebe, mehr Bienen und Blumen braucht, sind zeitlose Feststellungen, die man immer wieder auf verschiedene Weise in einem Blog besprechen kann. Diese Beiträge bringen über einen langen Zeitraum Klicks. Nicht, dass das jetzt meine Maxime wäre, Klicks zu sammeln. Ich schreibe für Freundinnen und Liebhaberinnen, für eine auf jeden Fall im Moment noch, kleine Allianz der Altruisten.

Aber in diesen Zeiten, in Zeiten einer großen, weltumspannenden Krise, nicht über ein aktuelles Thema zu schreiben, würde mir irgendwie komisch vorkommen. Das Virus hat auf jeden von uns seine Auswirkungen. Es beeinflusst uns alle in unserem Alltag, unserer Freizeitgestaltung, unserem Arbeitsleben. Die einen arbeiten jetzt grade viel mehr, andere viel weniger. Die einen haben plötzlich Zeit, sich mit sich selbst zu beschäftigen, die anderen können nicht mehr zu ihren Lieben ins Krankenhaus oder ins Altenheim. Das finde ich persönlich besonders schlimm. Die Bewohner eines Heims haben schon mit Besuchern einen oft eintönigen und grauen Alltag. Aber jetzt, wenn auch noch die letzten Besucher vor der Tür bleiben muss, ist es einfach nur totenstill in einer Umgebung, in der der Tod ohnehin schon allgegenwärtig ist. Als ich diese Woche im Heim war (als Physiotherapeutin bin ich eine der wenigen, die noch Zugang haben), war es einfach nur traurig für mich. Die verzweifelte Angehörige, die an der Tür der Mitarbeiterin eine Tasche geben musste, damit sie der Bewohnerin gebracht werden kann, die Stille im Heim, die gespenstisch über den wenigen dementen Menschen lag, die noch mit ihren Rollstühlen in der Eingangshalle standen, die vollkommen leeren Flure, das alles war wirklich apokalyptisch.

Es ist im Moment für viele Menschen schwierig, klar zu denken. Was wird aus werdenden Müttern, die bald in ein Krankenhaus zur Entbindung müssen? Was ist mit einem kleinen Wurm, der in diesen Zeiten auf die Welt kommt? Auch der spürt bestimmt die Angst der Menschen und das Chaos um sich herum.

In diesen Zeiten kommt man selbst als Mensch, der immer alles sonnig und hell und positiv und glücklich sein möchte, nicht drum herum, sich mit der Situation auseinander zu setzen. Und in diesen Zeiten etwas Zeitloses zu schreiben, ist fast unmöglich. Zu sehr hat uns diese Krise, die Angst, die Veränderung im Griff.

Keiner von uns hat jemals etwas Vergleichbares erlebt. Am ehesten noch die, die den letzten Krieg und die Nachkriegsjahre miterlebt haben. Sie kennen den Mangel und das Chaos. Eine meiner lieben alten Patientinnen, die mittlerweile auch  im Altenheim lebt, hat mir erzählt wie sie schreiben gelernt hat.

Sie ist Jahrgang 1935, war also fast in den gesamten schlimmen Kriegsjahren in der Grundschule. Als auch Straubing bombardiert wurde, mussten sie oft stundenlang in den Luftschutzkeller. Dort haben sie dann mit dem Zeigefinger in die Luft Buchstaben schreiben geübt.

Wir haben es dagegen jetzt wie im Himmel. Wir haben Internet, der Onlineunterricht hat diese Woche zügig Fahrt aufgenommen, und nach den ersten chaotischen Tagen, die ich meinen Kindern und mir gegeben habe, um die neue Situation erstmal zu integrieren, sitzen beide jetzt grade mit Handy bzw. PC in ihren Zimmern und lernen und machen Hausaufgaben. Eine schöne Entwicklung ist, dass sie sich jetzt die Fächer weitestgehend selber aussuchen können, in denen sie fleißig sind. Keine gezwungenen 45-Minuten-Einheiten in der Schule, sondern freies Lernen mit Schwerpunkten auf das, was Spaß macht. Bei meiner Tochter heißt das, Pflichtprogramm und dann viel Englisch.

Mein Sohn hängt seit drei Tagen am PC und macht Chemie. Mal ist Skype-Unterricht mit dem Lehrer, mal hilft er seinen Mitschülern, die nicht so gut in Chemie sind, aber sich gerne von ihm weiterhelfen lassen. Da macht er dann sozusagen den Co-Lehrer mit freiwilliger Nachhilfe.

Ob diese Motivation auch noch die nächsten vier Wochen anhalten wird? Wir werden sehen.

Gleich in den ersten Tagen dieser Woche, nachdem die Situation sich zugespitzt hat, habe ich einige Beiträge geschickt bekommen, die sich nur positiv über die Lage geäußert haben. Ich fand es zwar gut, zwischen den ganzen erschütternden Nachrichten aus der Politik, auch mal gute Nachrichten zu lesen, aber ich habe das Gefühl, das waren vielleicht etwas zu schnell geäußerte positive Gedanken. Zu einer Veränderung gehört auch immer Schmerz und Trauer, nichts auf der Welt ist nur gut oder nur schlecht. Und nur das Gute zu sehen, wird dem Ausmaß der Krise wahrscheinlich nicht gerecht. Jetzt ist ja erst der Anfang, die Konten von Freiberuflern und anderen Betrieben sind größtenteils durch die guten Wachstumsjahre noch ordentlich gedeckt, und die meisten bei uns sind auch noch gesund und nicht mal infiziert. Und wenn das nur eine gesamtgesellschaftliche Grippe wäre, wo sich jetzt alle einfach zwei Wochen ins Bett legen und dann ist alles vorbei, wäre es ja wirklich kein großes Problem.

Und natürlich ist es einfach nur schön zu sehen, wie in Venedig das Wasser wieder sauber wird, und Delfine in Küstennähe sichtbar sind.

Trotzdem stehen wir vor gewaltigen Herausforderungen. Es war eine große Veränderung nötig – der Wunsch danach war und ist ja auch Hauptmotor für meinen Blog! Aber es klingt in meinen Augen ein bisschen naiv, sich mit positivem Denken die Sache zu schön zu reden. Zu jeder Veränderung gehören auch – in der alternativen Psychotherapieszene spricht man von Geburtswehen oder Wachstumsschmerzen – Probleme, die bewältigt werden müssen. Und auch das wird jeden auf seine Weise betreffen.

Was ganz sicher ist, und allen, den Schwarzsehern, den Panikmachern, den Verdrängern, den Pragmatikern und den Positiven, gemeinsam ist: alle gehen davon aus, dass das Leben danach nicht mehr so sein wird, wie das zuvor.

Veränderungen tun weh. Deshalb vermeiden wir sie ja so gerne. Aber da werden wir alle durch müssen. Und am besten alle gemeinsam. Lasst uns uns gegenseitig zuhören, ernst nehmen, die neuen Medien nützen, zusammenhalten. Wer weiß, ob am Ende dieser Krise nicht ein paar Menschen mehr zu Altruisten werden. Das wäre doch schön!  

Schreibe einen Kommentar